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kundry weint cover

Allitera Verlag 2013, IBSN 3-86520-092-3

Kein Festspielsommer in Bayreuth ohne Skandal. In diesem Jahr der plötzliche Tod Dr. Siegfried Sörgels, Direktor des Richard-Wagner- Nationalarchivs. Mord oder Suizid? Drei Tage zuvor waren im Park des Hofgartens zwei schwarzen Schwänen brutal die Kehle durchschnitten worden. Schwarze Schwäne hatte einst König Ludwig II. Richard Wagner als Geburtstagsgeschenk überreicht.Welche Motive gibt es für diese frevelhafte Tat? In Bayreuth rumort es.

Der Ruf der Festspiele ist in akuter Gefahr. Wagnerianer aus der ganzen Welt sind nach Bayreuth gekommen, um die Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels Parsifal zu erleben. Auch der berühmte Biologe Jonathan Murphy aus den USA, der »Messias der Gentechnologie«, ein glühender Verehrer Wagners und seines Parsifals. Was hat er mit all dem zu tun? Der Kriminalpsychologe Firmian von Dall´Armi wird von der bayerischen Staatsregierung beauftragt, der Bayreuther Polizei beratend zur Seite zu stehen.
Seine Ermittlungen führen ihn in mysteriöse Wagnerwelten, in die Wahnwelt vom Heiligen Gral und seinem Mythos von ewiger Jugend und Schönheit? ... und direkt in die dunkle deutsche Vergangenheit.

Was ist faszinierend an den Musikdramen Richard Wagners? Darf man seine Kunst ästhetische genießen, obgleich er ein entschiedener Antisemit war und Hitler sie für seine politischen Zwecke missbrauchte?

Presse

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„Bayreuth braucht Skandale - so wie es Wagner braucht, Jahr für Jahr. Der Plot des Romans führt zurück in die fatale Geschichte des "Dritten Reichs" und die leidenschaftliche Verstrickung einer amerikanischen Jüdin und eines deutschen Detektiven auf der Folie des großen Musikdramas 'Parsifal'."

Der ganze Artikel auf WELT.DE: Tod der schwarzen Schwäne

 

Interview

Bayreuth war häufig schon Objekt auch schriftstellerischer Begierde. Über keinen Musiker wurde so viel geschrieben wie über Wagner und seine Festspielidee. Jetzt hat der Münchner Journalist Rüdiger Offergeld nach "Mord in Bayreuth" von Franz Joachim Schultz (1987) und "Triste Töne" von Tessa Körber (2004) den dritten Bayreuth-Krimi vorgestellt: "Kundry weint". Der KURIER sprach mit Offergeld über das Buch, dessen erste Auflage (3000 Exemplare) schon so gut wie verkauft ist.

KURIER:
Was hat Sie denn angetrieben, dieses Buch zu schreiben? Sind es die "radikalen Brüche der deutschen Geschichte" (Ihr Zitat), die Sie bewogen haben, so tief einzutauchen in die Bayreuther Fiktion?

Offergeld:
Nein, viele banalere Gründe. Mein Vater kaufte in den 50-er Jahren eine Saba-Musiktruhe. Seine bevorzugte Musik: Wagner mit Furtwängler und Knappertsbusch. Er schloss sich ins Wohnzimmer ein und genoß seine Wagner-Weihestunden. Für mich bedeutete das: kein Rock'n'Roll, der beschädigt den Saphir! Mein Verhältnis zu Richard Wagner war damit zunächst sehr beschädigt. Später als Student standen Wagner und Bayreuth für Hitler und die Folgen. Erst sehr viel später die erste Annäherung. Ich schrieb ein Radio-Feature für den Bayerischen Rundfunk über den "Mythos Bayreuth". Genaue historische Recherchen, Gespräche mit Forschern, Musikern, Liebhabern und Verächtern Wagners und Bayreuths, haben mich gelehrt wie spannend das Thema doch ist. Deutsche Geschichte verstehen, das heißt auch das Phänomen Bayreuth zu verstehen.
Was mich bei den Recherchen besonders interessiert hat, war die Sicht des Auslands auf Bayreuth. Und dabei lernte ich, dass das Ausland Bayreuth viel entspannter betrachtet als wir Deutschen das tun. Die Engländer etwa interessieren sich sehr, überraschender Weise für das Mystische bei Wagner. Die Franzosen haben ihren Charles Baudelaire und dessen Wagner-Erlebnis im Sinne, wenn sie an Bayreuth denken. Sie halten ihn auch für einen großen Literaten, der in der Lage war, Sprache in Musik zu übersetzen. In den USA hingegen ist die Haltung zu Wagner höchst unterschiedlich. Mich hat vor allem die Position von Marc A. Weiner fasziniert, einem führenden jüdischen Musikwissenschaftler, vor allem sein Buch "Antisemitische Fantasien" in den Musikdramen Richard Wagners. Er liebt Wagner und seine Musik, will aber das Antisemitische darin nicht leugnen. Er sagt, die jüdischen Figuren bei Wagner sind die komplexesten und interessantesten, gerade weil sie jüdisch sind.

KURIER:
Hat sich denn auch Ihr Wagner-Bild im Laufe der Auseinandersetzung verändert?

Offergeld:
Gute Frage. Ich habe mich unlängst, bei einer Lesung, dabei erwischt, dass ich Wagner ständig verteidigt habe. Joachim Kaiser hat mir übrigens geholfen, diesen anderen Zugang zu Wagner zu finden, indem er mir riet, vor allem auf das Kammermusikalische bei Wagner genau zu hören. Etwa die Karfreitagsmusik aus dem "Parsifal" oder das Vorspiel zu "Rheingold". An den leisen Tönen erkenne man den großen Musiker. Kaiser hat Recht.

KURIER:
Sie haben sich nun die Form des Kriminalromans ausgesucht, um sich schreibend Bayreuth zu nähern. Warum ein Krimi?

Offergeld:
Ich lese selber leidenschaftlich gerne Krimis. Bayreuth ist ein wunderbarer Schauplatz für einen Krimi. Es gibt hier mitten in der Stadt ein Gefängnis, das mal ein Barockschloß war, ein veritables Verrottungsmuseum, eine Synagoge, die direkt an ein Opernhaus gebaut wurde. Und dann der Plot! Die für mich spannendste Frage: Was steht in den Briefen, die Hitler an die Familie Wagner geschrieben hat? An diese Briefe kommt niemand ran, auch keine renommierte Historikerin wie Brigitte Hamann, die das öffentlich beklagt. Das ist doch ein tolles Krimi-Thema: Die Hitler-Briefe verschwinden aus dem Panzerschrank von Wahnfried. Tags darauf ist der Archivdirektor tot. Wer ist der Mörder?

KURIER:
Jetzt haben Sie in Ihrem Buch einen großen, schweren Brei gerührt. Da kommt der Vorwurf vor, dass Bayreuth sich seiner Vergangenheit buchstäblich verschließe. Da recherchiert eine jüdische Journalistin, da agiert ein merkwürdiger Genforscher. Und es ermittelt, zusammen mit der Polizei, ein rühriger Kriminalpsychologe. Was sind denn Ihre Botschaften? Etwa die: Bayreuth, arbeite deine Geschichte auf!

Offergeld:
Ich denke nicht, dass ich den Bayreuthern das sagen muss. Sie wissen selbst, was sie zu tun haben. Ich wollte eine spannende Geschichte schreiben. Wenn schon Botschaft, dann die: Leute beschäftigt Euch mit Bayreuth, da kann man viel über deutsche Geschichte und Musik erfahren und obendrein ist es eine schöne, interessante Stadt.

KURIER:
Sie haben ja eine ganze Reihe realistischer Figuren gezeichnet.

Offergeld:
Sie sind so real wie sie fiktiv sind. Was an ihnen real ist, entscheidet der Leser. Lebende Personen kommen nicht vor.

KURIER:
Dafür sind die Plätze und Orte sehr genau beschrieben. Dadurch soll man sich irgendwie zurechtfinden, heimisch fühlen beim Lesen. Absicht?

Offergeld:
Die präzisen Ortsangaben sind natürlich Absicht. Das gehört auch zur Form des Kriminalromans. Die Schauplätze müssen stimmen. Das Hotel Anker muss also wirklich am Sternplatz sein. Aber was im Hotel Anker passiert, wer da an der Rezeption steht und wer dort übernachtet, das ist Fiktion.

KURIER:
Antisemitismus ist ja ein großes Thema in Ihrem Buch. Was meinen Sie, mit Thomas Mann gefragt: Wie viel Hitler steckt in Wagner?

Offergeld:
Joachim Fest, andere selbstverständlich auch, hat dazu gesagt: Das Thema Wagner darf man nicht verkürzen auf die Formel "Wagner der Prophet, Hitler der Vollstrecker". Geschichte ist immer offen, es gibt keine direkten Linien von einem historischen Ereignis zu einem anderen. Aber man müsse sich über die Wirkungsgeschichte des Musikers und seiner politischen Schriften über Antisemitismus Gedanken machen. Wie also hat die Musik, das Werk Wagners gewirkt auf die Nachwelt? Wie wirkt es heute? Das sind die wirklich spannenden Fragen. Auch im Roman.

KURIER:
Welche Wirkung hat sie denn in Ihren Augen?

Offergeld:
Der Germanist Wolfgang Frühwald, ein sehr guter Bayreuth-Kenner, gleichwohl auch ein Kritiker des "Mythos Bayreuth" , hat einmal gesagt: Diese Musik rühre archaische Schichten im Menschen auf. Auch in ihm selbst. Er sei über sich selbst erschrocken gewesen, welch zerstörerische Qualität diese Gefühle haben können. Und ich gestehe, dass ich das nachvollziehen kann.

KURIER:
Sie packt einen ganz tief unten?

Offergeld:
"Richtig, weshalb wohl Thomas Mann den "Parsifal" ironisch als "Geschlechtsoper" titulierte. Da ist etwas Wahres dran. Oder nehmen Sie den "Tristan" da stecken (auch) sehr starke suizidäre Züge drin. Nichts für depressiv veranlagte Menschen. Hin und wieder kritische Distanz zu dieser Musik dazu aufzubauen, sich nicht nur berauschen lassen, das wäre wohl kein schlechter Ratschlag.

KURIER:
Einen sehr breiten Raum nimmt die Gentechnologie ein in Ihrem Werk. Ein Thema, das Sie umtreibt?

Offergeld:
Ich habe mich als Journalist damit auseinander gesetzt, ja. Mir ist beim Schreiben des Romans ein Satz aufgefallen: Das Genom des Menschen sei der Gral der Humangenetik. Der Gral als Symbol für ewige Jugend und ewiges Leben. Diese Idee passte in den Plot meines Romans, in dem es auch um den Gral, um Parsifal und Kundry geht. Mehr verrate ich nicht.

KURIER:
Haben Sie sich bei der Figur Karl Friedrich Wertheim, so heißt der Festspielleiter in Ihrem Buch, besonders schwer getan? Da denken ja doch viele an den real existierenden Wolfgang Wagner.

Offergeld:
Wolfgang Wagner hat keine NS-Vergangenheit. Also kann er nicht gemeint sein. Katholisch ist er auch nicht. Es ist ein formales Erfordernis des Kriminalromans: nicht nur Exaktheit der Schauplätze, auch die Exaktheit der Institutionen. Das heißt: Der Autor kann zum Beispiel nicht von einem Intendanten der Festspiele sprechen, sondern er muss schreiben: Der Festspielleiter. Was mich an Bayreuth stets interessiert hat, ist der Umstand, dass es bei einigen handelnden Personen ein Vor- und ein Nachkriegsszenario gibt. Mich interessiert das historische Faktum, nicht die Biographie eines individuellen Menschen.

KURIER:
Gibt es denn aus dem Festspielhaus schon Signale? Oder Schriftsätze?

Offergeld:
Nein, bisher keine Reaktion. Würde gern welche hören.

KURIER:
Sie haben ja mächtig Wirbel verursacht mit Ihrem Werk. Wie kommt das Buch denn beim Publikum an?

Offergeld:
Sehr gut. Was mich erstaunt: wie wenig ausgeprägt die Kenntnisse über die Bayreuther Festspiele, über Bayreuth und Wagner bei vielen sind, gleichwohl das Interesse, mehr darüber zu erfahren. Ich höre in meinen Lesungen, dass ich mit meinem Buch offenbar neugierig gemacht habe auf Bayreuth. Und das freut mich. Viele Leute spüren, dass man sich mit diesem Thema beschäftigen sollte. Es genügt einfach nicht zu sagen: Bayreuth ist Mist! Man muss sich schon damit auseinandersetzen.

KURIER:
Eine Zeitung hat davon berichtet, dass Ihr Buch boykottiert würde. Haben Sie diese Erfahrung gemacht?

Offergeld:
Nein, das war wohl eine Zuspitzung des Boulevards. Im Gegenteil: In Bayreuth weist zumindest eine Buchhandlung sehr groß auf mein Buch hin.

KURIER:
Wie lange haben Sie sich denn mit dem Titel "Kundry weint" aufgehalten? War das Ihr Titel?

Offergeld:
Nein, der Arbeitstitel lautete "Tod in Bayreuth". Das fand der Verleger langweilig. Und so habe ich mich innerhalb kürzester Zeit für einen neuen Titel entscheiden müssen. Kundry im Parsifal hat Christus ausgelacht. Dafür muß sie büßen. "Kundry weint", lag sprachlich nahe. Aber warum sie im Roman weint, das wiederum verrate ich nicht.

KURIER:
Am Samstag, den 23. Juli, lesen Sie aus Ihrem Buch in Bayreuth. Gibt es da so ein gewisses Bauchgrimmen, in der Höhle des Löwen aufzutreten?

Offergeld:
Ich freue mich sogar besonders darauf. Bei allem, was es an historisch Unerfreulichem am Thema Wagner und Bayreuth gibt, Hitler darf nicht das letzte Wort gehabt haben über einen der großen deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts. Das sagte einmal Ernst Bloch. Ich meine, er hat Recht.Joachim Kaiser hat mir übrigens geholfen, diesen anderen Zugang zu Wagner zu finden, indem er mir riet, vor allem auf das Kammermusikalische bei Wagner genau zu hören.